Positionspapier des Verbandes Deutscher Privatschulen zur Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern

Freie Schulen sind Produkt der wiedergewonnen Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern. Gemeinsam mit den staatlichen Schulformen bieten freie Schulen ein öffentliches Bildungsangebot, das unter der Aufsicht des Landes jedermann offen stehen soll. Trotz des grundgesetzlich abgesicherten Status des freien Schulwesens, hat sich die Situation für freie Schulträger in den letzten Jahren eher verschlechtert. Auch in M-V wurde die Privatschulfinanzierung in der zu Ende gehenden Legislaturperiode abgesenkt und nur nach großem Druck wieder neu geregelt. Für die freien Schulen sind die Änderungen ein Kompromiss auf niedrigstem Niveau, denn sie sind durch den Gesetzgeber von den Entwicklungen des restlichen Schulwesens weitgehend abgekoppelt worden.

1. Mit der letzten Schulgesetzänderung hat die Landesregierung die für die Finanzhilfe maßgeblichen Schülerkostensätze auf den Stand des Jahres 2013 eingefroren. Die Schulen in freier Trägerschaft wurden damit von den seither umgesetzten Entwicklungen im staatlichen Bildungswesen finanziell abgekoppelt. Gleichzeitig verlangt das Gesetz aber, dass sie in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen,  die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte genügend gesichert ist und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Das Land ist dazu verpflichtet Sorge zu tragen, dass die Weiterentwicklung schulischer und gesellschaftlicher Standards von allen Schulen umgesetzt werden kann. Die Dynamisierung der Schülerkostensätze lediglich um die Tarifentwicklung der Entgeltgruppe 13 TV-L bildet die Kostenentwicklungen nur unvollständig ab. Unberücksichtigt bleiben zum Beispiel Eingruppierungen von Lehrerinnen und Lehrern in andere Entgeltgruppen, wie zuletzt bei den Regionalschulen und Gesamtschulen. Bis zur Evaluation der Schülerkostensätze im Schuljahr 2019/ 2020 sind daher Anpassungen der gesetzlichen Regelungen vorzunehmen: Die Finanzhilfe muss einen Ausgleich für die derzeitigen Änderungen im öffentlichen System (Eingruppierung der Lehrkräfte in Tarifgruppen, ESF-Mittel, „50 Mio. EUR-Paket“, Umsetzung der inklusiven Schule) vorsehen. Es bedarf deshalb einer gesetzlichen Regelung, dass die freien Schulen an solchen Maßnahmen oder anderen künftigen Investitionen in Höhe ihres Schüleranteils prozentual beteiligt werden.

2. Die Berechnung des Schülerkostensatzes in § 128 Schulgesetz M-V ist neu zu regeln. Das Land sollte mit Blick auf die Finanzhilfen für Schulen in freier Trägerschaft ein System anstreben, das die Ankopplung dieser Schulen an die Zuweisungen für staatliche Schulen aufrechterhält. Auf diese Weise werden systemisch beabsichtigte Veränderung des Landes, also die Weiterentwicklung schulischer Standards, unmittelbare Auswirkungen auf die Schulen in freier Trägerschaft haben. Die auf Stand des Jahres 2013 ermittelten Schülerkostensätze stellen keine geeignete Berechnungsgrundlage für die Finanzhilfe dar, da sie nur einen Teil der Personalausgaben des Landes je Schüler an den staatlichen berücksichtigen. Berücksichtigt werden lediglich Ausgaben aus dem Haushalt des Bildungsministeriums nach § 69 S. 5 Nr. 11 des Schulgesetzes (Personalausgaben der Unterrichtsversorgung), der von der Definition der Personalkosten in § 109 Schulgesetz abweicht. Damit bleiben auf Landesseite Personalgemeinkosten und weitere Kostenpositionen aus dem Katalog des § 109 Schulgesetz sowie Sonderfinanzierungen und Schulverwaltungskosten unberücksichtigt, so dass sich der Deckungsgrad der Finanzhilfe bezüglich der Gesamtpersonalkosten des Ersatzschulträgers weiter verringert. Das Land sollte deshalb seine Finanzhilfe derart gestalten, dass alle finanziellen, sachlichen und personellen Zuweisungen an die staatlichen Schulen auf einen schülerbezogenen Kostensatz umgerechnet werden. Die Ausgaben je Schüler an den staatlichen Schulen sind vollständig zu erheben. Die in § 128 Abs. 3 Satz 2 Schulgesetz M-V für das Schuljahr 2019/ 2020 vorgesehene Evaluation und Anpassung der Schülerkostensätze hat über die jetzigen Berechnungsgrundlagen hinaus alle Ausgaben der öffentlichen Hand je Schüler an den jeweiligen Schulformen und Ausbildungsgängen zu berücksichtigen. Eine sachgerechte Evaluation umfasst einen Schülerkostenvergleichsbericht. Die Kostensätze sind ein Jahr nach Beginn einer Legislaturperiode (also erstmals 2017) unter Maßgabe dessen neu zu berechnen, was das Land an Zuweisungen für schulischen Zwecke mit Ausnahme der Sachkosten gemäß § 129 den staatlichen Schulen je Schüler zur Verfügung stellt. Dies gewährleistet, dass Berechnungsgrundlage der Finanzhilfe und ihr Verwendungszweck übereinstimmen.

3.  Die beruflichen Ersatzschulen haben einen wesentlichen Anteil an der Ausbildung in den vollzeitschulischen Ausbildungsgängen. In einzelnen Berufen findet die Ausbildung sogar ganz überwiegend oder zu einem hohen Prozentsatz an den Schulen in freier Trägerschaft statt. Wir kritisieren, dass das Ausbildungsangebot beruflicher Ersatzschulen ordnungspolitisch dadurch gesteuert wird, dass die Ausbildungsgänge unterschiedlich gefördert werden. Im beruflichen Bereich streben wir deshalb die schrittweise Gleichstellung der verschiedenen Fördersätze an den Fördersatz der allgemein bildenden Schulen an. In einem ersten Schritt sollte der Förderrahmen für die beruflichen Ausbildungsgänge von 50 bis 80 Prozent auf 60 bis 85 Prozent erhöht werden. In den Pflegeberufen und Erzieherberufen sollte durch die Übernahme der vollständigen Ausbildungskosten je Schüler eine Schulgeldfreiheit angestrebt werden.

4.  Gutachten zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs liegen regelmäßig erst nach dem 31.12. des Jahres vor. Die Ausschlussfrist in § 128 Abs. 4 Schulgesetz M-V sollte sich auf die Antragstellung und nicht das Vorlegen der Gutachten des Diagnostischen Diensts beziehen, auf dessen rechtzeitiges Vorliegen die Schulträger keinen Einfluss haben. Bei bestätigten Förderbedarfen für zwei oder mehr Defizite (z.B. LRS und emotionale und soziale Entwicklung) für das gleiche Kind ist der Förderbedarfssatz auch für alle diagnostizierten sonderpädagogischen Förderbedarfe zu berücksichtigen. LRS wird bei Schülern ab der 1. Klasse diagnostiziert. Mit Vorliegen des Gutachtens haben die Kinder einen Förderanspruch. Die freien Schulen erhalten den Förderbedarfssatz für diese Schüler allerdings erst, wenn der endgültige Förderbescheid ab der Klasse 4 vorliegt. Anträge auf erhöhte Finanzhilfe für die Schüler in den 1., 2. und 3. Klassen werden abgelehnt, weil die Verordnung das so festlegt. Diese Finanzierungslücke zu Lasten der Schüler ist zu schließen.

5. Für die Stärkung der Elternrechte und Schulwahlfreiheit ist die örtliche Zuständigkeit von Schulen vollständig aufzuheben und die Schülerbeförderung landeseinheitlich neu zu regeln. Wir schlagen vor, dass in Anlehnung an das niedersächsische Modell die Kosten der Schülerbeförderung bis zur nächsten Schule des gewählten Bildungsgangs erstattet werden. Wird nicht die Schule besucht, bei deren Besuch ein Erstattungsanspruch bestünde, so werden die notwendigen Aufwendungen für den Weg zu der besuchten Schule erstattet, jedoch nur, soweit sie die erstattungsfähigen Aufwendungen der Beförderung zur nächstgelegenen Schule des gewünschten Bildungsgangs nicht überschreiten. Hat der Träger der Schülerbeförderung eine solche eingerichtet, können die Schüler unabhängig von der besuchten Schule kostenlos an der Schülerbeförderung teilnehmen. Als eingerichtet gilt die Schülerbeförderung auch dann, wenn sie Teil des öffentlichen Nahverkehrs ist und der Linienverkehr durch den Landkreis selbst oder Nahverkehrsunternehmen durchgeführt wird, die Tochtergesellschaften des Landkreises sind.

6. Es sind Regelungen zu schaffen, die die Beschulung schulpflichtiger Flüchtlinge auch an freien Schulen erlauben. Die jetzige Stichtagsregelung der Schülerzahlen, fehlende Regelungen zum Schulgeldersatz und Schülerbeförderungskosten stehen dem entgegen.

7. Nach dem Beispiel Bayerns und Sachsens ist ein anteiliger Schulgeldersatz der öffentlichen Hand vorzusehen, wenn Schulbeiträge aus sozialen Gründen ermäßigt oder erlassen werden. Nur so ist die Zugänglichkeit der freien Schulen für Jedermann gewahrt.

8. Für die nicht gewährte Finanzhilfe während der dreijährigen Wartefrist von Schulneugründungen ist ein rückwirkender Ausgleich zu leisten. Die Wartefristregelung muss außerdem Ausnahmetatbestände für Neugründungen oder Erweiterungen bestehender Schulträger vorsehen („bewährte Träger“- Prinzip), die ihre Verlässlichkeit bereits nachgewiesen haben.

9. Mit Blick auf die Reform des Pflegeberufegesetzes sind Übergangsregelungen für die bestehenden Altenpflegeschulen zu schaffen. Verbände und Schulen sind bei der Gestaltung des Übergangs frühzeitig und umfänglich zu beteiligen.

10. Die Metropolregion Hamburg ist bis Mecklenburg-Vorpommern gewachsen. Die freie Schulwahl macht aber nach wie vor an den Landesgrenzen halt. Die Landesregierung sollte Gastschulabkommen mit Hamburg und Schleswig-Holstein schließen, die den länderübergreifenden Schulbesuch und die Finanzierung der Schülerkosten nach dem Herkunftsprinzip gerecht regeln. Die Gastschulregelung sollte mindestens die Landkreise, Städte und Gebiete umfassen, die nach dem Staatsvertrag der vier beteiligten Bundesländer Teil der Metropolregion sind.

Schwerin, 25. Februar 2016

Dr. Barbara Dieckmann
Landesverbandsvorsitzende