Privatschul-Experte kritisiert Landkreis wegen Schulbus-Politik

Christian Schneider vom Verband Deutscher Privatschulen wirft der Kreisverwaltung vor, das Schulgesetz bewusst zu umgehen – und das auf Kosten von etlichen Kindern.Stralsund – Der Privatschul-Experte Christian Schneider hat den Landkreis Vorpommern-Rügen gestern in Stralsund deutlich für seine Schulbus-Politik kritisiert. Er wirft der Verwaltung vor, sich eines Kunstgriffs zu bedienen, damit sie für Schüler, die auf eine andere als die örtlich zuständige Schule gehen, nicht den Schülertransport übernehmen muss. „Der Landkreis umgeht bewusst das Schulgesetz, und das auf Kosten der Schüler“, sagte Schneider, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Privatschulen Nord, beim zweiten Schülerbeförderungsforum in der Stralsunder Jona-Schule.

Hintergrund der Diskussion ist, dass der Kreis Vorpommern-Rügen ab nächstem Jahr nur noch für jene Kinder die Schulbuskosten übernehmen will, die auch die örtlich zuständige Schule besuchen. Wer auf eine andere Einrichtung geht, soll sein Ticket komplett selbst bezahlen. Das betrifft insbesondere Freie Schulen. Aber auch Kinder, die beispielsweise auf Rügen leben und in Stralsund auf eine staatliche Schule gehen, müssten künftig zahlen. Bisher hat der Landkreis die Familien mit 50 Euro im Monat unterstützt, doch die nötigen 800 000 Euro sollen nun eingespart werden. Nach Angaben der Initiative Schülerbeförderung, die das Forum in der Hansestadt organisiert hat, sind rund 1700 Schüler davon betroffen. Möglich ist diese Regelung durch das Schulgesetz in Mecklenburg-Vorpommern, das zwar eine freie Schulwahl vorsieht. Wer allerdings davon Gebrauch macht und sein Kind auf eine andere Schule als die örtliche schickt, soll für den Bus selber zahlen. Bisher hatte der Landkreis diese Diskrepanz durch freiwillige Unterstützung für betroffene Familien aufgefangen, doch angesichts der Sparzwänge ist damit bald Schluss. Allerdings gibt es eine Ausnahme im Schulgesetz und genau hier liegt der Kniff der Kreisverwaltung, der Christian Schneider so ärgert.

Im Gesetz steht, dass alle Kinder mit dem Schulbus mitfahren dürfen, wenn der ohnehin für die regulären Schulen eingerichtet ist. Die Verwaltung entgegnet jedoch, dass es in Vorpommern-Rügen gar keine Schulbusse im eigentlichen Sinne gebe, weil die Jugendlichen mit den regulären Linien des öffentlichen Nahverkehrs mitfahren. Demzufolge sei die Ausnahme des Schulgesetzes nicht anzuwenden. „Das ist absurd. Ohne die Schüler gäbe es doch vielerorts gar keine Busse mehr“, sagte Schneider. Zu was für kuriosen Situationen diese Regelung führt, beschrieb Rolf Martens aus Grimmen, der das Forum in der Jona-Schule leitete. Seine beiden Kinder besuchen zwei verschiedene Schulen, sitzen aber jeden Tag im selben Bus nebeneinander. Der Junge fährt kostenlos, weil er die zuständige Schule besucht. Für das Mädchen muss Martens hingegen 61 Euro bezahlen, obwohl sie sogar früher als der Bruder aussteigt.

Matthias Crone, Bürgerbeauftragter des Landes MV, bezeichnete diesen Missstand im Forum als „Gerechtigkeitslücke“. „Die Wahlschüler dürfen nicht die Sparschweine der Landkreise sein“, sagte er. Crone sieht Chancen, das Schulgesetz dahingehend zu ändern, dass alle Schüler kostenlos in den Bus einsteigen dürfen, wenn der ohnehin fährt“ und zwar unabhängig davon, ob das nun eine Schülerbeförderung im eigentlich Sinn oder regulärer Linienverkehr ist. Um das durchzusetzen, müsse allerdings noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. „Das Problem ist, dass dann das Land den Kreisen mehr Geld zur Verfügung stellen muss“, sagte Crone. Er rechnet nicht damit, dass noch vor der Landtagswahl 2016 eine Lösung gefunden wird.

IN KÜRZE

7 Millionen Euro im Jahr gibt der  Landkreis Vorpommern-Rügen für den Schülertransport zur örtlich zuständigen Schule aus. 800 000 Euro mehr würde es kosten, auch jene Kinder mit 50 Euro im Mona zu unterstützen, die sich eine andere Schule ausgesucht haben. Nach Angaben der Initiative Schülerbeförderung betrifft das rund 1700 Schüler.

von Alexander Müller SVZ, 04./05.07.2015, S. 11